Menschenhandel und Prostitution in Deutschland
Menschenhandel gilt weltweit als das Verbrechen mit der höchsten Zuwachsrate. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass aktuell über 27,6 Millionen1 Menschen Opfer von Zwangsarbeit – zur wirtschaftlichen und sexuellen Ausbeutung – sind.
Wir von Esther Ministries e.V. kümmern uns schwerpunktmäßig um die Opfer sexueller Ausbeutung. Diese Art der Ausbeutung, auch Zwangs- und Armutsprostitution genannt, beraubt die betroffenen Personen ihrer Menschenwürde und verursacht oft starke seelische, psychische und physische Schäden.
1 Letzte Schätzung von 2021, Quelle: Statistisches Bundesamt
Human Trafficking
Menschenhandel ist eine Form der internationalen organisierten Kriminalität und zählt als drittwichtigste Einkommensquelle nach dem Drogen- und Waffenhandel.
Gemäß einer Schätzung der Internationalen Arbeitsorganisation (I-LO), werden damit jährlich 236 Milliarden US-Dollar Gewinn (!) umgesetzt.
Unter Ausbeutungsarten von Menschenhändlern, welche die wirtschaftliche und soziale Notlage anderer ausnutzen, zählen u.a. Organentnahme, Adoption und Kindersoldaten. In Deutschland finden sich vermehrt Opfer vor von Zwangsprostitution und Ausbeutung der Arbeitskraft wie,
- Betteltätigkeiten, Taschendiebstähle, Serieneinbrüche
- Hausarbeit, häusliche Pflege, Baugewerbe, Landwirtschaft, fleischverarbeitende Industrie, Hotel- und Gaststättenbranche
Prostitution in Deutschland
Deutschland wird häufig als „Europas größtes Bordell“ bezeichnet. Befragungen zufolge waren 75 – 80 % aller Männer1 mindestens einmal in ihrem Leben bei einer Prostituierten. Gefördert durch die liberale Gesetzgebung von 2002 mit dem Gesetz zur Legalisierung der Prostitution und die geographisch zentrale Lage, hat sich Deutschland zu einem Ziel- und Transitland für Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung entwickelt. Wie viele Frauen, Männer und auch Kinder unter welchen Bedingungen in der Prostitution zu finden sind, weiß niemand genau.
1 Quelle: Nikolas Westerhoff 2010 2 Schätzung: Buch Sklavenmarkt Europa, Michael Jürgs 3 I-LO: 58,6 Milliarden US-Dollar in Europa
Armutsprostitution in Deutschland
Ein sehr großer Teil der in Deutschland in der Prostitution arbeitenden Frauen weisen einen Migrationshintergrund auf. Den Angaben der Stuttgarter Polizei zufolge kommen viele Frauen aus den ärmsten Regionen Osteuropas wie Rumänien, Ungarn und Bulgarien.
- Armut und Perspektivlosigkeit
- Hohe Arbeitslosigkeit und Niedriglöhne
- Sexuelle, religiöse und ethnische Diskriminierung
- Schwache Sozialsysteme
- Krieg, Katastrophen
PULL-Faktoren
- Aussichten auf ein besseres Leben
- Gesundheits- und Bildungseinrichtungen
- Hohes Wohlstandniveau
- Nachfrage
- Gesetzeslage
Aufteilung der 30 636 Anmeldungen in Deutschland
Angemeldete Prostituierte im Jahr 2023
Quelle: Statistisches Bundesamt
Neben direkt sichtbaren Orten wie dem Straßenstrich, den bordellähnlichen Betrieben wie „Laufhäuser“ und Eroscenter findet sich Prostitution auch in weniger sichtbare Arrangements wie Terminwohnungen, Wohnmobilen, S/M-Studios, Bars, Clubs, Anbahnungslokale, Pornokinos, Saunen und Massageinstitute ebenso wie in Büroräumen, Wohn- und Geschäftshäusern. Auch im erweiterten Prostitutionsbereich, beispielsweise im Escort-Service, in Sexshops und Animierbars sind Prostituierte anzutreffen.
Lt. Bundeslagebild von 2022 nimmt die Prostitutionsvermittlung über das Internet und über die Soziale Medien immer mehr zu. Das bedeutet ein Verschiebung hin zur Wohnungsprostitution und zu Haus- und Hotelbesuchen. Diese Verlagerung der Prostitution in Bereiche, die schwer zu kontrollieren sind, stellt eine Herausforderung für die Strafverfolgung dar.
- 1032* Frauen prostituieren sich nach polizeilichen Erkenntnissen in Stuttgart (Stand 2018)
- 480 Prostituierte sind täglich in der Stadt tätig
- 10 Straßenprostituierte – wobei Straßenprostituion in Stuttgart verboten ist
- 148 Rotlichteinrichtungen, darunter Dominastudios und Laufhäuser
- Rund 88 % der Prostituierten sind Ausländerinnen
- Gründe für die Prostitution seien fast immer Armut und Gewalterfahrungen bzw. Zwangsprostitution
* Es wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen
Quelle: Landeshauptstadt Stuttgart 2019
Verteilung der Objekte im Raum Stuttgart in %
Verteilung der Frauen auf die Objekte im Raum Stuttgart in %
Zwangsprostitution
Opfer sexueller Ausbeutung werden vor allem junge Frauen und Mädchen deren Selbstwertgefühl geschwächt ist, Frauen aus prekären Lebensverhältnissen und Frauen aus instabilen sozialen Systemen.
Durch Täuschung in Form falscher Versprechungen und Anwendung von Gewalt unterschiedlichster Form, gelangen diese Frauen in die Prostitution. Ein beliebtes Mittel ist auch die Loverboy-Masche, bei der ein Mann eine Liebesbeziehung vortäuscht. Das Ziel ist, bei den jungen Frauen ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis aufzubauen, um sie dann in der Prostitution auszubeuten.
Esther Ministries bietet Workshops zum Thema „Liebe ohne Zwang“ an, um vor der Loverboy-Methode zu warnen. Wir kommen auch bei Ihnen vorbei, fragen Sie uns gerne an.
Um die Opfer bei der Prostitutionsausübung unter Kontrolle zu halten, wird Täterseitig regelmäßig massive auf diese eingewirkt.
Diese Zahlen beruhen auf Angaben von ermittelten Opfern: Bundeslagebild Menschenhandel 2022
Zu Zwangsprostituierten zählen wir Frauen, die sowohl aus Armut als auch unter Einfluss psychischer und physischer Gewalt gezwungen sind, sich zu prostituieren.
Zwangsprostituierte werden in aller Regel nicht angemeldet und sind daher in den offiziellen Statistiken nicht erfasst. Sie werden häufig weiterverkauft und müssen alle 1-2 Wochen die Stadt wechseln, was es für sie fast unmöglich macht, sich Hilfe zu organisieren.
Die Gesetzeslage
Wir von Esther Ministries sind überzeugt, dass unsere Gesetzeslage zu einem Umdenken in der Gesellschaft führen muss, um die Nachfrage nach Sexkauf zu verringern. Es darf nicht „normal“ sein, zur Prostituierten zu gehen!
Zum 1. Juli 2017 ist das Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen in Kraft getreten. Kernelemente sind die Einführung einer Anmeldepflicht, Verbindliche gesundheitliche Beratung und eine Erlaubnispflicht für das Prostitutionsgewerbe, mit dem Ziel:
- Die sexuelle Selbstbestimmung von Prostituierten stärken
- Grundlagen zur Gewährleistung vertraglicher Arbeitsbedingungen
- Gefährliche Erscheinungsformen der Prostitution zu verdrängen
- Kriminalität in der Prostitution wie Menschenhandel, Gewalt und Ausbeutung von Prostituierten und Zuhälterei zu bekämpfen
2023 waren 30 600 Prostituierte angemeldet. Wieviel Prostituierte es tatsächlich in Deutschland gibt ist unklar, laut Schätzungen sind es jedoch zwischen 150 000 und 700 000. Angesichts dieser hohen Zahlen ist die Zahl der angemeldeten Prostituierten sehr gering.
Auf Bundesebene findet seit Juli 2022 eine Evaluation statt, die sich mit den Auswirkungen des Prostituiertenschutzgesetzes befasst und deren Ergebnisse bis spätestens 2025 dem Bundestag vorzulegen sind.
Schweden hat das sogenannte „Nordische Modell“ als erstes Land eingeführt. Länder wie Frankreich, Kanada, Irland und Island haben dieses Modell ebenfalls eingeführt. Das Modell besteht aus vier Säulen:
1) Entkriminalisierung der Prostituierten
2) Kriminalisierung der Sexkäufer und Betreiber
3) Finanzierung von Ausstiegsprogrammen für Prostituierte
4) Aufklärung in der Gesellschaft
2017 befasste sich eine wissenschaftliche Studie mit allen Modellen der Prostitutionsgesetzgebung. Obwohl es keine Ideallösung sei, sieht sie unter Auswertung der vorhandenen Studien gerade im „Nordischen Modell“ Vorteile:
- Menschenhandel und die Zuhälterei seien mit diesem Modell rückläufig.
- Prostituierte erhalten bessere Unterstützung als in allen anderen Systemen
Quelle: Deutscher Bundestag
Mit dem Prostitutionsgesetz von 2002 wurde es Frauen und Männern möglich, sich offiziell anzumelden. Erstaunlicherweise waren auch Jahre nach der Legalisierung genaue Zahlen darüber, wie viele Frauen in der Prostitution arbeiten, nicht bekannt, denn angemeldet waren (2013) laut „Welt am Sonntag“ nur 44 Personen.